Huchenbericht – Unverhofft kommt nicht immer oft…

Veröffentlicht in: Berichte | 0

Huchenbericht:
Unverhofft kommt nicht immer oft,
aber wenn´s passt, dann passt´s

Es ist Mitte August, der Wetterbericht meldet für die nächsten drei Tage überwiegend Sonnenschein, nur lokal heftige Gewitter mit Starkregen… Hochsommerliche Aussichten im Jahr 2010 für Südbayern und den nördlichen Alpenraum. Ein Anruf, das Quartier in der Steiermark ist gebucht, Fischkarten reserviert und so packe ich in Windeseile mit meinem Sohn Simon alles Notwendige für die nächsten Tage. Eine Nacht noch schlafen und dann endlich wieder einmal richtig auf Äschen fischen dürfen, die in unserem oberbayerischen Raum so rar geworden sind. Ultraleicht wollen wir fischen, Trockenfischen pur, und als Reserve eine 5er Rute, weil im Staubereich schwere Forellen stehen. Monatelang hatten wir es geplant und witterungsbedingt immer wieder aufschieben müssen, aber morgen, morgen geht´s los. Vorfreude ist doch die reinste Freude!

Huchen

Ein paar Stunden Anfahrt und wir stehen bei herrlichem Sonnenschein knietief im glasklaren Wasser der Salza. Binnen kürzester Zeit hat jeder von uns seine erste Thymallus mit einem kleinen grauen Aufsteiger überlistet und es bleibt nicht die einzige. Herrlich, wie die Hand nach dem vorsichtigen Zurücksetzen nach dem Fisch riecht.

Huchen

Zwei Stunden dauert der Traum… und dann, dunkle Wolken am Himmel. Mit der im Gebirge typischen Schnelligkeit verdüstert sich der Himmel, erste Blitze, Donnergrollen, und noch bevor wir uns recht versehen, müssen wir abbrechen, erreichen gerade noch rechtzeitig unser Quartier, bevor das Unwetter losbricht und uns den erhofften Abendsprung buchstäblich ersäuft.

Es gießt wie aus Kübeln, stundenlang, und mit dem unheilvollen Geräusch der prasselnden Regentropfen schlafen wir irgendwann spät abends ein… und wachen morgens auch wieder damit auf. Es ist kalt geworden, die Wolken hängen tief, Nebelfetzen ziehen ins Tal. Nur das ausgezeichnete Frühstück hellt die Stimmung und vermeintlich auch die Wolken draußen etwas auf. Aber doch, wider Erwarten, weist das Wasser nur etwas Trübung auf und es gelingt uns zunächst mit der Nymphe ein paar schöne Bachforellen zu fangen. Aber innerhalb kurzer Zeit trübt sich das Wasser und wird unbegeh- und –unbefischbar. Stimmung endgültig am Nullpunkt.

Salza

Bei einer zwangsweise eingelegten Brotzeit keimt die Hoffnung auf, unterhalb des Staubereichs, doch gut 20 km entfernt, vielleicht doch noch bessere Verhältnisse vorzufinden. Der Fluss ist hier viel reißender, zwängt sich durch ein enges Tal, schnelle Rauschen münden in metertiefen Gumpen mit Kehrwassern und immer wieder im Uferbereich hinter Felsen oder Geröllflächen seichtere Strömungstaschen.  Wildnis pur, steiles Ufer, umgestürzte Bäume machen bereits den Anmarsch ans Wasser anstrengend und zum Abenteuer. Hier verirrt sich so schnell keiner, Befischungsdruck bekommt hier eine ganz andere Bedeutung, da muss doch was gehen. Und tatsächlich, bis hierher ist das trübe Wasser noch nicht gekommen. Es riecht förmlich nach Fisch. Doch nach gut einer Stunde intensiven Fischens, die Ernüchterung: nichts. Auch die aussichtsreichsten Stellen erbringen trotz aufmerksamer Befischung keinen Fischkontakt. Ich begebe mich langsam, etwas entnervt, in Richtung Simon, der etwas unterhalb, aus Sicherheitsgründen in Sichtweite, fischt und mich plötzlich hektisch heranwinkt, mir gleichzeitig deutet, vorsichtig zu sein…
„Ich hab bisher nur eine Forelle gefangen, die sah aus als hätte sie einen Biss in die Schwanzflosse gekriegt“, ansonsten geht einfach nichts. Aber jetzt als ich gerade Fliegen gewechselt habe, da hat sich ein größerer Fisch, er deutet so 60 – 70 cm, kurz unterhalb von mir ins Seichte gestellt. Das muss ein Huchen sein! Er hat sich da etwas unterhalb ca. 15 Meter abtreiben lassen. Ich glaub er steht noch dort“, so erzählt er mir hastig, als ich zu ihm komme. Sollte ich ihm jetzt erzählen dass nicht jeder größere Fisch in der Steiermark ein Huche ist? Aber vielleicht ist das auch der Grund, dass wir bislang so leer ausgegangen sind? Mit einer 5er Rute und Forellenvorfach zu fischen, sei unvernünftig? Was zählen in so einem Augenblick vernunftbezogene Argumente?  – bei einem 17jährigen und Petrijünger von Kindheit auf?

Salza

Mit zittrigen Händen sucht er in der Weste nach der Streamer-Box, „ich hab´ mir doch für alle Fälle einen Lucky mit purple-farbenem Marabu gebunden!“. Schnell ist das konische Trockenvorfach auf ein vertretbares Maß gekürzt, wir brauchen mehr Tragkraft… „Siehst du ihn noch?“  Der prüfende Blick lässt mich den mutmaßlichen Fisch noch ahnen.
Knoten kontrolliert, Rollenbremse überprüft, nur nicht zu stramm stellen! Wann hab´ ich eigentlich das letzte Mal den Knoten am Backing überprüft? Plötzlich bekommen Dinge Bedeutung, denen man sonst kaum Beachtung schenkt.
Und dann folgt der erste Wurf, quer in den Fluss, in die Strömung hinaus, nicht weit genug für die Entfernung zum Fisch, aber die Schnur lässt sich ja noch nach unten nachfüttern. Der Streamer sinkt, treibt ab, kommt langsam schräg zur Strömung nach oben. – Simon zieht noch Schnur von der Rolle. – Jetzt kommt der Streamer knapp oberhalb des Standplatzes des Fisches langsam in die Strömungstasche, spielt knapp unter der Wasseroberfläche.

Ein Wasserschwall und Anschlag, die Rute biegt sich im selben Augenblick bis ins Handteil, Bruchteile von Sekunden passiert gar nichts und dann…, die Rolle schreit, der Fisch dreht in die Strömung und es geht stromabwärts. Simon fliegt förmlich über die teilweise kniehohen Felsen, stolpert über einen quer liegenden Baumstamm, rutscht durch eine Felsspalte,  – nur den Kontakt nicht verlieren.  (Nicht nur gewisse Getränke verleihen Flügel!)  Dreißig, fünfzig Meter weiter, wie ein Wunder, wieder ein größerer, ruhiger Strömungsbereich. Es gelingt, die erste Flucht des Fisches zu stoppen. Noch erscheint er schemenhaft, aber jetzt ist klar, er ist sicher größer als zunächst angenommen und das kann nur ein Huchen sein. Langsam gelingt es, ihn heran zu bringen, doch schon flieht er wieder in die Flussmitte, diesmal stromaufwärts. Gut so, das kostet Kraft. Wenn nur das Vorfach der Belastung standhält! Es gelingt Simon auch die zweite Flucht zu stoppen und der Fisch kommt langsam auf uns zu, erstmals bekommen wir ihn wirklich in seiner Größe zu Gesicht, Adrenalin pur! Meine Rute hab ich längst irgendwo liegen gelassen, Simon irgendwie den Fotoapparat aus der Fliegenweste geholt. Aber zum Fotografieren bleibt keine Zeit, der Fisch flieht erneut in der Strömung nach unten. Wieder gelingt es nach ca. fünfzig Metern diese dritte Flucht zu stoppen und ihn wieder in eine Strömungstasche zu bringen. Ich riskiere es, unterhalb von ihm ins Wasser zu steigen, vielleicht kann ich ihn schon fassen, wenn er auf mich zutreibt. Dreimal greife ich vergeblich, er flieht jedes Mal bis an den Rand der Hauptströmung, aber Simon kann ihn nun immer besser unter Kontrolle bringen und als der Fisch erstmals schließlich die Flanke zeigt, tauschen wir die Rollen. Vorsichtig unter schwachem Zug gelingt es mir, ihn langsam in Simons Arme treiben zu lassen. Mit einem beherzten Griff an der Schwanzwurzel und unterhalb der Brustflossen kann er den Fisch glücklich fixieren.

Huchen

Nach ein paar Fotos wird er vorsichtig in die Strömung entlassen, gemeinsam schauen wir ihm nach, wie er ohne Hast in der Tiefe des nächsten Gumpens verschwindet. Minutenlang lassen wir neben einander sitzend das Erlebte noch einmal Revue passieren. „Papa, das war einfach geil!… Und die Huchensaison kommt doch erst?!“
Ja, sie beginnt erst und ich wünsche allen, die sich in der üblichen Weise großer  Mühe unterziehen diesen herrlichen Fisch an den Streamer zu bringen, ähnlich glückliche Momente, wie wir sie hier so unverhofft erleben durften.

 

Schreibe einen Kommentar