Mit Ingo Karwath am Wasser – Vatertag

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Mittwoch: Man muss es einfach zugeben. Manchmal gelingt einem der Vatertag so richtig gut, manchmal nicht. Einen Spazierstock mit Fahrradklingel, einen Strohhut und einen Bollerwagen mit Proviant brauche ich eher nicht. Hab’ ich zwar auch schon gemacht, aber die besten Vatertage waren bisher die, an welchen Dänische Kronen in meiner Tasche und Aluminiumrohre hinten im Kombi sanft aneinander klingelten. Mittwochmittag in das fertig gepackte Auto einsteigen, so 680 Kilometer nach Norden und dann etwas nach Osten, Ziel Langeland, und abends um 20 Uhr am Lieblingsstrand im Wasser stehen. Dann noch um 22 Uhr eine Meerforelle fangen und Himmelfahrt konnte nun aber wirklich kommen.

Heuer hatte mich eine andere Sehnsucht gepackt. Ich musste einfach mal wieder rote Tupfen sehen und in die Augen einer Bachforelle schauen. Egal wie groß, egal wie schwer, einfach nur eine perfekte Forelle sollte es sein.

Darum war die Reise diesmal etwas anders, und in meinem Gepäck klingelte rein gar nichts. Mittwochmittag stieg ich zwar auch in das beladene Auto, aber erst einmal ging es über volle Straßen nach Hannover. Dann den Flieger nach München, mit ganz vielen Anzugträgern. Da hab ich mich im rot karierten Hemd schon richtig gut gefühlt. Der Weg vom Gate zu Sixt war zwar elend lang, aber ruckzuck saß ich im geliehenen A3, konnte jedoch das fremde Navi nicht gleich verstehen. Ich schreibe es mal meinem Mangel an Geduld zu. Aber selbst ein Südschwede wie ich findet den Weg vom Flughafen nach Siegsdorf auch so. Ist ja alles prima ausgeschildert. Unterwegs verstehe ich durch intensives Nachdenken auch noch das Navi und gebe auf einem Parkplatz am Chiemsee den Zielort Hammer und den Hammerwirt erfolgreich ein. Um 23 Uhr komme ich an, bekomme mit Geheimzahl meinen Schlüssel aus dem Türsafe und finde in meinem Zimmer: eine Brotzeit, zwei Flaschen Bier im Kühler, eine Fliegenrute mit Rolle und Schnur auf dem Kopfkissen, dazu einen Angelschein für die kommenden Tage. Zwei Tage Deutsche Traun, zwei Tage Weiße und Rote Traun.

Mannomann, denke ich bei mir, als Jungangler habe ich von solchen Typen wie mir gelesen, und jetzt bin ich so einer. Was für ein Luxus. Mit Brotzeit und Bier im Bauch liege ich alsbald im Bett und schlafe glücklich ein. Himmelfahrt kann nun aber wirklich kommen.

Donnerstag: Nach gutem Schlaf und erstklassigem Frühstück, man musste echt aufpassen dass einem die fitten Radfahrer im Hotel nicht den ganzen Leberkäs und Hackbraten wegschnappten, beides superlecker, steuerte ich den Parkplatz Hauptstraße 4 in Siegsdorf an. Traun River Products. Das Headquarter. Mit einer auf den Kilometerbruchteil genauen Anfahrtanweisung fand ich von dort den Weg zum Parkplatz an der Brücke über die Deutsche Traun wie ein Schlafwandler und hatte ruckzuck die kurze Wathose an. Ich spannte die geliehene 3er Rute auf, zunächst ohne Fliege, und ging am rechten Ufer, dem weglosen, ein ganzes Stück stromab. Ein leichter Nieselregen und sanfter Flussnebel umfingen mich. Die Welt der Forellen hatte mich aufgenommen. In Gnade sozusagen, denn wie lange ich nicht im schönen Bayern war, schäme ich mich zu sagen.

Ich entscheide mich für den internationalen Zugriff und zupfe mir eine 12er Professionelle, eine Adams 14 und eine Light Cahill 14 aus der Dose. Alle drei bringen an einer verdächtigen Stelle der Reihe nach nichts. Die drei Fliegen kommen in den Vorruhestand und ich bringe eine 14er Buck Caddis, eine zarte 14er Quill Gordon und eine 14er Red Tag in die Warteschleife. Das ist sozusagen der Harzer Ansatz, mit dem wir früher die obere und mittlere Oder unsicher machten. Noch vor dem ersten Wurf landet ein Insekt auf meinem rechten Brillenglas. Ich nehme sie ab und erkenne mit dem unbewaffneten Auge eine kleine gelbe Steinfliege, vermutlich Chloroperlidae. Das ist ein Hinweis. Und er genügt. Die mit gelber Seide klassisch gebundene Buck Caddis passt genau, und auch ohne steigende Fische weiß ich nun was zu tun ist. Ich werfe sie, diesmal ohne Fallschirm und irgendwelche Tricks, in einen kleinen Kolk unterhalb einer Rausche an meinem Ufer. Ein kurzer Zupfer, treiben lassen, Zupfer, Wusch!, da ist der erste Fisch. Eine geschätzt 35er Bachforelle, die an der 3er Rute ganz ordentlich tanzt. Sie ist schön, sie bricht den Bann, sie ist die erste, jedoch nicht die gesuchte Forelle. Das wäre ja auch so als würde Parzival auf der Suche nach dem Heiligen Gral gleich hinter der Zugbrücke von Camelot vom Pferd fallen und mit dem Hintern auf dem gesuchten Kelch landen.

Bachforelle

Ich rolle erst einmal ein und mache mich auf die Suche nach der unten Grenze. Das rote Schild am linken Ufer ist nicht zu übersehen. Auch sonst sind die Stromkilometer am Ufer genau verzeichnet. Bei den Schildern kann nun wirklich keiner sagen er wüsste nicht wo er gerade fischt. Ich wende mich stromauf, mit der Absicht bis zur Brücke hinauf zu fischen, und schaffe keine 300 Meter. Ich schaffe nur vier Rauschen, alle am rechten Ufer, und fange sehr viele Fische. Die Buck Caddis geht, aber nicht wirklich gut. Nach einigen Experimenten im Spektrum gelb und braun komme ich auf eine 12er gelbe Klinkhammer mit braunem Thorax. Die wirkt wie der Schlüssel zum Keuschheitsgürtel der Deutsch Traun und ich fange wirklich unanständig viele Fische. Der Trick ist der, die Fliege mit einem sehr hoch abgesetzten Wurf in das ruhige Wasser hinter den Steinen zu landen, sozusagen Fallschirm extrem, völlig ungenau, und sie dort mit drei, vier, manchmal fünf Mends in das schnelle Zwischenwasser ruhen zu lassen. Und wenn man denkt das Kehrwasser hinter den Steinen ist leer, dann kommt doch wieder ein Fisch zur Fliege. Die Regenbogen hüpfen sofort los, die Bachforellen schäumen das Wasser und lassen sich schwer und faul stromab treiben. Die beste Forelle mag wohl ein Kilo wiegen und die 3er Rute fühlt sich dabei nicht wirklich gut an. Man denkt man hat einen Lachs am Band. Ich überlege mir morgen eine 5er Rute zu erbitten und fahre nach einem komplett durchfischten Tag um 18 Uhr zurück nach Hammer. Nach einem Filetteller, Panacotta mit Erdbeeren, drei Auersbräu und zwei Quittenschnäpsen bin ich weder so noch so abendsprungfähig. Noch ein kleiner Rundgang mit qualmender Punch und ich schlage auf dem Kopfkissen auf und schlafe sofort ein.

Freitag: Das Frühstück gelingt mir besser als gestern. Ich erbeute mehr als den durchschnittlichen Anteil vom Hackbraten, und außerdem mag ich die Brezen, und die anderen Gäste mögen sie nicht so. Aber meine Güte, ich könnte auch ohne Frühstück auskommen. Da hat mich der Udo schon früher mit aufgezogen, dass ich lieber mit einem trockenen Brötchen im Wasser stehe als mit Brie und Rotwein an Land zu sitzen. Hat sich wenig geändert die letzten fünfunddreißig Jahre. Heute ist ein Werktag und ich bin mit Rudi Heger verabredet. Im Verkaufsraum von Traun River drängen sich acht bis zehn Leute, es wirkt aber so als wären es mehr. Alles Mögliche für einen guten Fischtag wird noch eingekauft, von der Wathose bis zur Trockenfliege. Ich bekomme im Treppenhaus ein erstklassiges Briefing über die Fischerei an der Deutschen Traun, wir stehen dabei den einkaufenden und arbeitenden Menschen so was von im Weg, und das fast eine Stunde, erhalte eine handvoll Steinfliegen und zwei spezielle Vorfächer, mit der genauen Anweisung wie damit zu fischen ist. Die 3er Rute soll ich erst einmal behalten, bekomme aber eine längere 5er dazu. Die orangefarbene Rolle übersteigt jedoch meine Grenzen der Toleranz und ich schraube eine drei Zoll Perfect an die Z-Axis. Muss der Chef ja nicht sehen.

Der Trick mit der großen Steinfliege klappt prima, aber ich kann mich mit der Methode nicht wirklich anfreunden. Kurze Zeit später bin ich wieder unten beim roten Schild und knote die gelbbraune Klinkhammer an. Das Wasser ist etwas niedriger und die Fliege geht heute nicht so gut wie gestern. Was aber auch an der 5er Schnur liegen kann. Klasse 5 kommt einfach auffälliger runter aufs Wasser als eine 3er. Ist ja bei BMW ganz ähnlich. Ich fange weniger als am Vortag, muss häufiger mal zwischen verschiedenen Parachutes wechseln, aber die Erfolge können sich immer noch sehen lassen. Am Nachmittag bevölkern Schülerinnen und Schüler aus Traunstein die Traun, sie schleppen mehr Bierkisten heran als auf den ersten Blick nötig wären, und sie haben es ja verdient und sind auch nett, aber ich habe auch irgendwie genug gefischt und die Party vertreibt mich an die Rote Traun.

Ich spanne die 3er wieder auf. Zunächst stört mich die nahe Autobahn, die an diesem Freitag voller nicht sein könnte. Aber schon bald umarmt mich die Flußau mit ihrem Grün und ich höre nichts mehr. Das Wasser ist noch etwas trüb, und mit einer 14er Assassine gelingt mir der Fang mehrerer Bachforellen, alle so um die dreißig Zentimeter. Die Fische steigen hier definierter als in der Deutschen Traun. Die Kolke und Ringe sind eindeutiger. Wenn man sich dem Wasser nähert, dann hören die Fische sofort auf zu steigen. Selbst bei geschicktesten Versuchen, meine ich jedenfalls, kann ich das nicht ändern. Mein schwedischer Footstool ändert es für mich. Ich setze mich einfach unten am Kolk ins flache Randwasser und warte. Nach zehn, manchmal zwanzig Minuten kommen die Ringe zurück. Es ist als würde man auf ein Steak im Ofen warten. Das Wasser läuft einem im Mund zusammen und man muss warten. Dann noch einmal fünf Minuten dazu, und dann hat man eine, höchstens zwei Chancen auf den untersten Ring. Und die Forellen sehen so aus wie in meinen Träumen. Perfekte kleine Bachforellen, kräftig und spritzig, und die 3er Rute ist gemacht für diese Drills. Ich vergesse die Zeit und muss mich sputen noch Essen zu bekommen. Wiener Schnitzel, wieder Panacotta, und an Bier und Schnaps gibt es auch nichts zu verbessern. Die Zigarre diesmal im Biergarten. Meine Frau ist auf dem Kirchentag in Dresden und zur gleichen Zeit in der Semper Oper. Gut, das ist kulturell vielleicht etwas höher als meins hier, aber ich würde nicht tauschen. Die Zigarre knistert leise und Grillen zirpen. Die Sandalen der hübschen Bedienung knirschen auf dem Kies. Das ist meine Oper. Ein frisches Bier kommt.

Samstag: Das wird der Tag der perfekten Forelle. Es wird auch der Tag der größten Forelle, aber die fange ich ganz unspektakulär auf eine furchende Buck Caddis. In einem Kolk mit Steinplatten und tiefen Spalten kommt sich plötzlich hoch und nimmt meine Fliege. Der Drill an der 3er Rute ist natürlich aufregend, denn sie nimmt mich weit stromab mit, und dort liegen die Bäume kreuz und quer. Sie ist etwa so schwer wie meine Beste aus der Deutschen Traun, nur dunkler und schöner, aber sie ist nicht die perfekte Forelle. Die wird deutlich kleiner.
Wenn man an der Roten Traun vom Parkplatz an der Bachbrücke stromab bis zu ersten scharfen Biegung geht, so findet man dort einen langen Kolk mit einer hellen Schotterbank am rechten Ufer. An der anderen Seite liegen grobe Steine, und weiter den Hang hoch muss ein Radweg sein. Im Kolk liegt ein eiserner Fensterrahmen, und genau über dem Rahmen geht immer mal ein Ring auf. Den Fisch habe ich gestern schon einmal vergrämt, und jetzt sitze ich hier an und warte. Die Insekten in der Drift sind gemischt, und den platschenden Ringen nach zu urteilen wird ein aktiver Emerger genommen. Ich will aber trocken fischen und entscheide mich für eine 16er Hare’s Ear Parachute am 12er Vorfach. Meine Wurftechnik hat sich seit gestern deutlich verbessert, indem ich sie verschlechtert habe. Ich werfe mit tiefer Hand, sozusagen aus der Hüfte, damit die Schnur besser unter den Bäumen lang kommt. Außerdem mit weniger Kraft, man könnte sagen lässig, damit die Schnurspitze vorn und hinten tiefer fliegt. Ich überlege den Stil „sloopy cowboy“ zu nennen, denke aber doch das inzwischen genug lustige Würfe erfunden wurden, die es immer schon gab. Einen ganzen Tag an der Roten Traun ohne Baumhänger müssen Sie mir erst mal nachmachen. Das spricht für den „sloopy cowboy“.

Bachforelle

Während ich so auf meinem Schwedenstuhl warte, das Wasser gurgelt, ab und an höre ich oben im Wald eine Gangschaltung knacken, Wasseramseln fliegen vorbei, das Licht flittert durch die Blätter der Bäume, die weißen Kiesel leuchten hell, fängt plötzlich die Forelle an zu steigen. Dann geht alles wie von selbst. Ein kurzer Wurf bringt die Hares Ear in die Drift, ich sehe einen Schatten vom Grund hoch kommen, Ring, und der Fisch sitzt. Die Forelle zickzackt im zwielichten Wasser des Kolks hin und her wie in einem Gemälde von David Hockney. Diese Swimmingpool-Gemälde für Millionen Euro. Mal sehe ich sie an einer lichten Stelle bis auf die letzten Tupfen genau, dann zieht sich wieder ins glitzernd Unsichtbare. Letztlich hat sie keine Chance und gleitet in meine Hand. Dreihundert Gramm, würde ich sagen. Ein wunderbarer kleiner Fisch, ob nun besetzt oder wild kann ich nur vermuten, aber ein Bild von einer Forelle. Der kleine Haken ist schnell entfernt, und wie ein Blitz ist sie weg. Nicht ihre Größe macht sie zum perfekten Fisch, sondern die Umstände. Die Ruhe vor dem Fang, das klare Wasser, das Licht des Tages und der wirklich gelungene Wurf.

Manche mögen die Rote Traun, hatte Rudi Heger gesagt, und manche mögen sie nicht. Ich habe hier wenig gefangen, kaum einen Fisch die Stunde, und viele Forellen habe ich vergrämt, dann waren die Fische eher klein und ja, man kann die Autobahn hören wenn mal will, aber ich mag die Rote Traun. Nur von der Weißen habe ich wenig genug gesehen. Bin nur vom Wehr einmal herauf spaziert ohne zu fischen. Da muss ich wohl mal wieder kommen. Den Tag beschließe ich spät im Biergarten mit dem gutem Essen und guten Bier.

Sonntag: Nach dem Frühstück lasse ich die Ruten an der Rezeption zurück und bedanke mich für schöne Tage. Mein Flieger geht im 15.50 Uhr, und obwohl ich vorher noch im Hofbräuhaus einkehre auf einen Leberkäs, fand ich doch den Mittwoch schöner. Das ist undankbar, aber Vorfreude ist nun einmal die schönste Freude. Und darauf freue ich mich auch. Aufs Wiederkommen!

Ingo Karwath

Die Rudi Heger GmbH bedankt sich recht herzlich bei Herrn Karwath für diesen wundervollen Bericht!

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